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Das aktuelle Thema
Justiz
am Pranger -
Wie das Recht auf Zugang zu den Gerichten von Staat
und Justiz erschwert wird (Teil 1 von 2)
Umfragen und Statistiken ergeben, daß
immer mehr Bürger verschuldet sind, jeder 6. Berliner hat schon
Bekanntschaft mit seinem Gerichtsvollzieher gemacht. Nicht jede
Schuld, die der Schuldner zu tilgen hat ist aber auch rechtmäßig.
Doch dies erkennt man als Laie möglichwerweise nur schwer und
auch Verhandlungen über Ratenzahlungen mit der anwaltlich
vertretenen Gegenseite führen meist nur zu einer Erhöhung
der Schulden und Kosten statt zu einer Milderung (Stichwort:
Ratenzahlungsvergleich). Ist die eigene wirtschaftliche Lage desolat,
werden gerade kündbare Zahlungsverpflichtungen abgestoßen
wie eine Rechtsschutzversicherung. Kommt es dann zu Problemen, steht
man mit leeren Händen da und leere Hände sind für
Rechtsanwälte kein Argument, ein Mandat anzunehmen und dem
Schuldner aus der Misere zu helfen. Qualifizierter Rechtsrat ist eben
nicht kostenlos zu erhalten, schon wegen des Haftungsrisikos, welches
sich ein Rechtsanwalt durch die Übernahme eines Mandats
aussetzt.
Nun nennt das Grundgesetz als Staatsprinzipien auch den
Rechtsstaat und den Sozialstaat. Folglich wurden Instrumente
eingeführt, die auch dem bedürftigen Bürger den Zugang
zum Recht ermöglichen sollen. In außergerichtlichen
Angelegenheiten ist dies die Beratungshilfe, in Gerichtsprozessen die
Prozeßkostenhilfe.
Beratungshilfe
Erstere muß
man bei dem für den eigenen Wohnsitz zuständigem
Amtsgericht beantragen. Dazu sucht man die Geschäftsstelle mit
Unterlagen auf, die das Rechtsproblem belegen (z. B. gegnerisches
Forderungsschreiben) und welche die eigene Bedürftigkeit belegen
(Einkommensbescheinigungen, Unterhaltstitel, Mietkosten, Erspartes).
Hat man alles gut vorbereitet und mitgebracht, erhält man meist
am gleichen Tage einen sogenannten Berechtigungsschein.
Sozialhilfeempfänger brauchen zum Darlegen ihrer
Einkommenssituation nur einen aktuellen Sozialhilfebescheid
mitbringen.
Mit diesem Dokument kann man einen Rechtsanwalt
seiner Wahl aufsuchen und dieser ist gegen Zahlung einer Schutzgebühr
von 10,- EUR verpflichtet, die Angelegenheit zu betreiben. Den Rest
seines Honorars erhält der Rechtsanwalt von der Justizkasse.
Allerdings gibt es in Beratungshilfefällen bestimmte
Festgebühren unabhängig von der Höhe der üblichen
Gebühren. Im günstigsten Fall führt dies dazu, daß
bei kleinen, schnell zu klärenden Fällen die Angelegenheit
durchaus attraktiv für den Anwalt sein kann, in großen,
langwierigen Fällen stehen Aufwand und Nutzen aber in keiner
Relation mehr zueinander.
Viel schlimmer für den Anwalt wiegt
jedoch, daß die derzeitige Abrechnungspraxis dazu führt,
daß neben den 10,- EUR Schutzgebühr das eigentliche
Beratungshilfehonorar ewig auf sich warten läßt. Zunächst
darf der Rechtsanwalt die Angelegenheit erst abrechnen, wenn sie
abgeschlossen ist. Das kann Monate oder Jahre nach der ersten
Begegnung mit dem bedürftigen Mandanten sein. Und dann dauert es
noch 3 bis nicht zählbar viele Wochen, bis die beantragte
Zahlung ausgekehrt wird.
Gerade dieser Umstand macht
Beratungshilfefälle zu einer unberechenbaren Angelegenheit für
den Rechtsanwalt. In normalen Fällen oder bei
rechtschutzversicherten Mandanten kann der Rechtsanwalt während
der Fallbearbeitung einen angemessenen Vorschuß verlangen, um
wenigstens seine laufenden Unkosten zu decken. 10 EUR sind stets nach
ein paar Briefen, Kopien und Telefonaten aufgebraucht. Bedürftige
Mandanten haben häufig keinen Festnetzanschluß mehr, so
daß in manchen Fällen ein Telefonat beim Mandanten zur
Aufzehrung der Schutzgebühr genügt. Der Anwalt wird wider
willen und entgegen der gesetzlichen Grundlagen (§ 17 BRAGO) zum
zinslosen Kreditgeber wider Willen.
Die praktische Folge ist, daß nur
wenige Kollegen bereit sind, solche Fälle anzunehmen und da sie
die Annahme nicht aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen dürfen,
nennen sie halt andere Gründe, deren tatsächliches
Vorliegen nicht überprüft werden kann, z. B. Auslastung.
Letztendlich kann man das den Kollegen nicht verübeln, da sie
zumeist bittere Erfahrungen mit der Abrechnung gemacht haben und der
Aufwand das eigene Honorar zu erhalten oft größer ist als
die Durchsetzung der eigentlichen Rechtsangelegenheit. Letztendlich
sorgen Staat und Gerichte durch ihre Regelungen und die
Bearbeitungsweise dazu, daß dem bedürftigem Bürger
die Umsetzung seiner grundgesetzlichen Rechte erschwert wird.
Die
Problematik kann letztendlich auch nicht durch den Mandanten
gemildert werden. Zahlt er mehr als die 10,- EUR muß dies der
Rechtsanwalt als Vorschuß in seiner Abrechnung benennen und er
erhält letztendlich auch nicht mehr. Man hat nur die Justizkasse
entlastet und das ist sicher gerade nicht der Sinn von
Beratungshilfe. Der Anwalt kann durch den vermehrten Aufwand bei
geringer Vergütung letztendlich nur eine begrenzte Zahl an
Beratungshilfemandaten annehmen, um überhaupt noch
wirtschaftlich arbeiten zu können. Er ist gezwungen, Prioritäten
zu setzen beginnend bei lukrativen Sachen bis hin zu den
Beratungshilfesachen. Folglich werden Beratungshilfesachen meist auch
schleppender bearbeitet, wenn keine wichtigen gesetzlichen oder
vertraglichen Fristen dagegen sprechen. Praktisch ist es ein
Dilemma.
Aus der folgenden Tabelle können Sie einige
Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung ersehen. Sie soll
verdeutlichen, wie lange einige Fälle brauchten bis die
Abrechnung realisiert wurde.
Aktenzeichen |
Mandatsaufnahme |
Ende des Falls/ Abrechnung |
Zahlung erfolgt am |
---|---|---|---|
2000/45 (< 1 Monat ist gut) |
14.06.2000 |
06.10.2000 |
31.10.2000 |
2000/66 (2Monate)* |
21.07.2000 |
22.03.2001 |
08.05.2001 |
2001/16 (2 Monate) |
16.03.2001 |
28.06.2001 |
28.08.2001 |
2001/32 (2 Monate) |
15.05.2001 |
18.12.2001 |
14.01.2002 |
2001/43 (4 Monate)** |
09.07.2001 |
30.10.2001 |
19.02.2002 |
* dieser Fall war ersichtlich sehr
langwierig, mehr als 10 EUR gab es praktisch erst nach 10 Monaten
**
die meiste Zeit des Falles wurde hier auf das Geld von der
Justizkasse gewartet
Im nächsten aktuellen Thema wird
die Problematik unter dem Gesichtspunkt der Prozeßkostenhilfe
beleuchtet. Hier kommt mangels Festgebühren noch hinzu, daß
die Gerichte Anwaltsgebühren nicht berechnen können, daß
sie Erfolgsaussichten und Mutwilligkeit eines Antrages nach der Lage
in der eigenen Kasse zu bewerten scheinen und oft im nachhinein böse
Überraschungen parat haben, die letztendlich der bedürftige
Mandant zu tragen hat.
FORTSETZUNG FOLGT
Für die Richtigkeit der hier gemachten Angaben ist eine Haftung ausgeschlossen.